Die Ahnenreihe der Frauen meiner Familie

2. November 2009 Aus Von Sabiene
Ahnenreihe

Betrachtung meiner Ahnenreihe

Allerheiligen – Halloween – Samhain: Im Moment ist eine gute Zeit, sich Gedanken zu seinen Ahnen und Vorfahren zu machen.

Meine Ahnenreihe

“Deine Oma war eine unkonventionelle Frau!” meinte gestern eine Freundin, nachdem ich ihr von den wenigen Vorfahren erzählte, an die ich mich irgendwie erinnern kann.

Meine Oma war keine wirkliche Oma. Aber sie war ihrer Zeit voraus.

Wäre sie nach dem 2. Weltkrieg zur Welt gekommen, wäre aus ihr vielleicht ein Hippie-Mädchen geworden, das bestimmt in dem ganzen Sex-and-Drugs-and Rock’nRoll-Zauber niemals untergegangen wäre.

Später geboren hätte sie womöglich als glühende Feministin Ina Deter “Neue Männer braucht das Land” nachgesungen. Bestimmt wäre sie auch in den Anfang der 80er Morgenluft witternden Grünen untergekommen, weniger aus Überzeugung, mehr aus Spaß.
In den 90ern hätte sie es zu einem B- oder C-Promi schaffen können, zumindest hätte sie die nötige Kapriziösität und das Talent zur Selbstdarstellung gehabt.

Meine Oma: 2 Weltkriege und die “schlimme Zeit” dazwischen

Aber als Jahrgang 1913 in einem kleinen Dorf aufgewachsen, blieb ihr nur die Möglichkeit, den Frevel zu begehen, sich von einem Sohn reicher Eltern vorzeitig schwängern zu lassen, um dann in einem Heim für gefallene Mädchen unterzukommen.
Irgendwann schaffte sie es, einen Mann zu heiraten, der sie samt Kind aus der dörflichen Enge riss und mit ihr in die nächste Stadt zog.
Der Ehemann kämpfte an irgendeiner Front, um dann an irgendeiner anderen Front zu fallen. Sie schlug sich als alleinerziehende Mutter dank eines unterschütterlichen Pragmatismus durch, wobei sie niemals vergaß, welcher Augenaufschlag für welche Sorte Mann geeignet war.
Nebenbei weigerte sie sich standhaft, ihre Tochter zum großdeutschen Bund freier Mädel zu schicken, allein dafür gebührt ihr heute noch eine Medaille.
Während und nach des Krieges war sie trotz aller Eskapaden niemals angreifbar, weil die halbe Nachbarschaft bei ihr Schulden hatte. Oder Geheimnisse mit ihr teilte.
Sie war zweimal verheiratet, danach lange Zeit mit einem Mann liiert, der kaum älter als meine Mutter war und mir immer als “Onkel Meinhart” verkauft wurde. (Kinder leben ja sehr gut mit den Paradoxien des Lebens, weil ihnen vieles paradox erscheint). Ansonsten gab es männermäßig noch eine hohe Dunkelziffer, an der meine Mutter als ihre Tochter schier verzweifelt ist.

Meine Oma war keine Oma und erst Recht keine Mutter und steht damit ein wenig außerhalb der Ahnenreihe.

Sie war ein Mensch, der die unterm Weihnachtsbaum schmutzige Witze erzählen konnte und sich im hohen Alter noch einmal verlieben wollte.
Sie war stolz, kapriziös und zickig. Und für jeden niedergelassenen Arzt Katastrophe und Einkommensquelle zugleich.

Vielleicht war sie wirklich unkonventionell.

Auf jeden Fall war sie anders.

Und das bin ich auch. In meiner Ahnenreihe

Foto: Ein Blick auf meine Ahnenreihe  ©Sabienes.de
Text: Die Ahnenreihe der Frauen meiner Familie ©Sabienes.de